Spitzenmäßig - UNESCO Weltkulturerbe Speicherstadt und Kontorhausviertel

(Download durch Klick aufs Bild / Speicherstadt / Christian Spahrbier)

Es sind zwei einzigartige Areale mit eng verwobenen Biografien: Hamburgs Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit dem Chilehaus tragen den Titel des UNESCO-Welterbe zur Recht. 

Ohnegleichen, unverwechselbar, universell bedeutsam: Die Aufnahme in die Liste des „World Heritage Committee“ ist ein Ritterschlag, olympisches Gold für Architekturen und Naturstät ten. Mit der Auszeichnung können sich so unterschiedliche Orte schmücken wie Venedig, die Galapagosinseln, die Kathedrale von Chartres oder Kambodschas Angkor-Wat-Ruinen. Nun wurde auch in Hamburg ein Areal als „Welterbe der Menschheit“ gewürdigt: die Speicherstadt und, getrennt nur durch den Zollkanal, das Kontorhausviertel – jenes großstädtische Hafen- und Bürohausquartier, Wahrzeichen von Handel und dessen Wandel.

Dunkle, ausdrucksstarke Klinkerfassaden wie die von Chilehaus und Sprinkenhof prägen das Bürohausareal, warmroter Backstein die Lager am Wasser. So unterschiedlich Speicherstadt und Kontorhausviertel auch wirken, so sind doch beide Zeugnisse einer Zeit, in der sich die bis dato gültige Hamburger Wirtschaftsstruktur stark veränderte – und die Hansestadt rasant wuchs, die Epoche der Industrialisierung und der späteren Reichsgründung. Bis zum späten 19. Jahrhundert hatten Kaufleute in ihren Bürgerhäusern Wohnen, Arbeiten und Lagern vereint. Nun wurde strikt getrennt: Büro hier, im Kontorhausviertel – Lager dort, in der Speicherstadt – Wohnen an der Alster.

Vertreibung für den Freihafen

Das Privileg der Zollfreiheit, über Jahrhunderte Wohlstandssicherer für den souveränen Stadtstaat, fiel nach 1871 durch den Beitritt zum Deutschen Kaiserreich – nur eine Enklave im Hafen durfte zollfrei bleiben. Daher wurden auf den Elbinseln Kehrwieder und Wandrahm nahezu alle Bestandsbauten abgerissen und zwischen 1883 und 1914 im neugotischem Stil die Speicherstadt errichtet. Dank ihr ließ sich der zollfreie Handel effizient organisieren: Wasserseitig wurde sie von Lastschiffen bedient, landseitig von Fuhrwerken.

Die rund 20.000 Menschen, die bislang auf den Inseln gelebt hatten, wurden einfach vertrieben. Als viele Arbeiter in die gegenüberliegende Altstadt auswichen, wurde es da noch enger, die Zustände noch unhygienischer. 1892 brach dort eine Choleraepidemie aus, 10.000 Menschen starben. Nun wurde auch dieses Gebiet saniert: Das Kontorhausviertel entstand, geprägt von einem bis dato unbekannten Bautypus, dem reinen Bürohaus ohne Wohnungen und Lager. Zwischen 1922 und 1924 entstand das prominenteste Beispiel dieses Baustils: das Chilehaus, mit zehn Geschossen eines der ersten Hochhäuser Deutschlands.

Salpeter-Millionär baut Chilehaus

Bauherr war Henry B. Sloman, mit 21 Jahren als Sohn aus gutem, aber verarmtem Hause von Hamburg nach Südamerika ausgewandert, dort durch Abbau von und Handel mit Salpeter reich geworden und 1898 wieder an die Elbe zurückgekehrt. Mit seinem Vermögen von 60 Millionen Mark galt der Unternehmer als reichster Mann Hamburgs; in das Chilehaus, so getauft zu Ehren seiner Erfolge in Übersee, steckte er circa zehn Millionen.

Noch heute sitzen zahlreiche Unternehmen im Kontorhausviertel, dank der zentralen Lage und vieler kleiner Restaurants ein beliebter Standort. Die nahe Speicherstadt dagegen hat sich gewandelt: Spätestens seitdem der Freihafen nicht mehr existiert, haben Kreativagenturen, Museen und Gastronomie den Charme der loftartigen Backsteingebäude entdeckt. Auf dem Weg zur Elbphilharmonie und zur Hafen-City streifen auch viele Touristen durch die Gassen und über die Brücken – und hauchen diesem alten Viertel neues Leben ein.

Text: Christian Tröster in „Hamburg: das Magazin aus der Metropole“ Ausgabe 34 (09/2015)

Verwendete Quellen zu Chilehaus, Kontorhausviertel und Speicherstadt:

Das große Hamburg Buch, Hamburg 2012 (S. 357 f)

Herrmann Hipp, Freie und Hansestadt Hamburg, Du Mont Verlag, Köln, 1987, (S. 46, 66 ff, 182f, 220f)

Ralf Lange, Hafencity und Speicherstadt, Junius Verlag 2010, (S.59, 64f,)

Thomas Hampel, Dirk Meyhöfer, 125 Jahre Speicherstadt, Junius Verlag 2013 (S.126f, 183, 200)