Hamburger Design verbindet Eleganz und Understatement

(Rezeption des 25Hours Hotel Hafen City / ibd.)

Rund 14.000 Designer arbeiten in der Elbmetropole, so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland. Prägend für Design, das hier entsteht, sind hanseatische Werte wie Ehrlichkeit, Qualitätsbewusstsein und Understatement. Durch eine enge Kooperation von Gastronomen, Designern und Interior-Spezialisten entstehen Shops und Showrooms, Cafés und Restaurants, die ihre eigene Hamburger Geschichte erzählen und eine Shoppingtour zum Erlebnis machen.

Im Überseequartier von Hamburgs neu entstehendem Stadtteil liegt das „25Hours Hotel Hamburg HafenCity“. Seine Architektur erinnert an einen Schiffskorpus, der an einer Straßenecke vor Anker geht. Auch das Designkonzept des Hotels ist thematisch eng mit der Nähe zum Hafen und dem Mythos des Seefahrers verknüpft: Als Wegweiser dienen Markierungen, wie sie einst im Hafengebiet genutzt wurden, im Foyer wird ein Schiffscontainer zum Meetingraum und die Zimmer sind nach echten Seemanns-Biografien gestaltet. Passend dazu kann man im „Mare Kiosk“ rund um die Uhr Bücher und maritime Souvenirs kaufen. Nebenan, im Restaurant „Heimat Küche + Bar“ werden zeitgenössisch interpretierte Spezialitäten aus Hamburg und der Region serviert, Fish and Chips erhält der Gast folglich in Zeitungspapier des Hamburger Abendblatt eingewickelt. „Das 25Hours Hotel ist ein gutes Beispiel für Hamburger Design und die spezifische Kombination von Kontrasten“, beschreibt Julia Erdmann, Partnerin im Architekturbüro Stephen Williams Associates, das Konzept. „Grobe Industriematerialien und Seemann-Anekdoten in eleganten Proportionen und perfekter Verarbeitung. Das ist Hamburgs raue Eleganz.“

Designxport - das Zentrum für Design in Hamburg 

Wenige Gehminuten entfernt hat Stephen Williams die Räume von „designxport“ gestaltet, Hamburgs Präsentationsplattform für Design. Auch hier ist nach seinem Konzept ein Ort entstanden, der zur Kommunikation anregt – eine Bühne, die bespielt sein will. Im Erdgeschoss finden regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen statt, in der Galerieetage darüber können Besucher in Magazinen, Büchern und einer Materialbibliothek forschen. Ein beliebter Treffpunkt ist der lange Tisch vor dem so genannten Ideenkiosk mit regionalen Spezialitäten. Durch flexibel nutzbare Einbauten, Möbel und Veranstaltungstechnik bieten die Räumlichkeiten den passenden Rahmen für Gruppenausstellungen oder Werkschauen lokaler Designer sowie Vortragsreihen und Diskussionsabende zum Austausch mit Kollegen aus aller Welt. Im angrenzenden „X-Shop“ kann man originelle Spiel- und Schreibwaren, Accessoires, Kleinmöbel oder Leuchten kaufen, die von Designern aus der Hansestadt gestaltet sind, zum Teil unter eigenem Label.

 

(designxport in der HafenCity Hamburg / Stefan Lemke )

Ein weiterer spezieller Ort, den Williams und sein Team realisiert haben ist das zum Thalia Theater gehörende Kaffeehaus und Restaurant „Weltbühne“ in unmittelbarer Nähe zur Mönckebergstraße. Bequeme Lederbänke, dunkle Holztische und ein geometrisch gekachelter schwarz-weißer Fußboden lassen Erinnerungen an klassische Künstlercafés wach werden. „Design made in Hamburg ist nicht laut und cutting-edge, sondern eher leise und elegant“, sagt Stephen Williams. „Kein Selbstzweck, sondern funktional im Alltag, kommerziell erfolgreich und gleichzeitig von hoher gestalterischer Qualität".

Highlights in Altona

Von hanseatischen Werten lassen sich auch Hamburger Möbeldesigner inspirieren. Im Showroom von „More Möbel“ im Hinterhof des Bahrenfelder Steindamm kann man sich die aktuelle Kollektion bei einem Espresso ansehen. Designer Bernhard Müller bietet unter seinem Label edle Möbel aus Massivholz an, vom lederbezogenen Stuhl bis zum maßgeschneiderten Bett. Er schätze die Hamburger Tugenden des Understatements, sagt Designer und Firmengründer Müller. Der gebürtige Münsteraner steht in der Tradition puristischen deutschen Designs: „Möbel, die ich entwerfe und fertige, zeichnen sich durch eine klare, reduzierte Formsprache aus. Sie sollen einen Raum gestalten, indem sie Freiheiten schaffen, statt ihn zu dominieren.“ 

In einer ehemaligen Fischräucherei in Ottensen, ebenfalls im Hinterhof gelegen, hat David Einsiedler „PLY unestablished furniture“ mit viel Detailliebe eingerichtet. Möbelstücke mit Gebrauchsspuren aus einer Maschinenfabrik zeigt er neben Meilensteinen der Designgeschichte. "Ply ist wie Hamburg weltoffen und international orientiert, mit einer im deutschen Möbel- und Interior-Umfeld bisher einzigartigen Mischung aus Vintage Originalen, Designklassikern der finnischen Marke Artek und eigens entworfenen Produkten“, beschreibt er das Unternehmen, das er gemeinsam mit seiner Frau führt.

Ein denkmalgeschützter Backsteinbau in unmittelbarer Nähe zur Elbe und zum Fischmarkt beherbergt das stilwerk Hamburg, ein großes Kaufhaus mit 28 exklusiven Shops, Ausstellungsflächen und Gastronomie. Der Hamburger Designer Rolf Heide hat die ehemalige Mälzerei zu diesem Zweck umgebaut. Den Shop direkt gegenüber dem Eingang betreibt Tobias Grau mit hochwertigen und mitunter futuristisch aussehenden Leuchten, die an rundliches  „Space Age Design“ der Siebziger Jahre erinnern. Der Designer und Unternehmer gründete seine Leuchtenfirma 1984. Längst ist sie eine internationale Marke, „aber die Wurzeln bleiben in Hamburg. Daher ist es uns wichtig, im Stilwerk präsent zu sein“, sagt Grau.

Feinkost und Interieur

In Hamburgs lebendiger Designszene entstehen gemeinsam mit Interior-Spezialisten und Gastronomen neue Konzepte für Feinkostläden, Cafés oder Restaurants, bei denen alles zusammen passt – von erlesenen Lebensmitteln und ihrer Verpackung bis zum kleinsten Detail der Innenarchitektur. Viele der rund 14.000 Hamburger Designer sind für Auftraggeber in der Elbmetropole tätig, vor allem in den Bereichen Grafik, Verpackung und Corporate Design. Seit einigen Jahren sind sie dazu übergegangen, ihr Lebensumfeld auch im gastronomischen Bereich mit zu gestalten. In der „Elbgold“ Kaffeebar im Schanzenviertel, dem Sushi-Restaurant „Henssler & Henssler“ am Fischereihafen oder der „Beisser“ Fleischerei mit Feinkost und Bistro in Ottensen verbinden Designer ganzheitliche Gestaltung mit Wohlfühlatmosphäre.

 

(Mutterland Shop in St. Georg / Klaus Frahm)

Ein weiteres Beispiel für überzeugende Markenwelten ist die Hamburger Spezialitätenkette „Mutterland“ mit ihrem Stammhaus in der Nähe von Hauptbahnhof und Außenalster. In einem Interieur, das an nostalgische Tante-Emma-Läden erinnert, wird einem urbanen Publikum hochwertige Qualität aus familiengeführten Manufakturen schmackhaft gemacht. Ein raumprägendes System aus Holzkisten zur Warenpräsentation verbreitet nebenbei das Flair der „guten alten Zeit“. Im Restaurantbereich kann man traditionelle Hausmannskost an Tischen und Stühlen im Used-Look genießen. Als „Hommage an liebevolle Mütter und die heimische Küche“ bezeichnet Designer und Gastronom Jan Schawe das Konzept seiner Marke, in deren Logo man ein Herz und eine Bretzel erkennen kann. Verpackungen und das Grafikdesign seiner Ladenkette hat Schawe selbst entworfen, das Interieur entwickelte er gemeinsam mit dem Einrichtungshaus und Planungsbüro „Scala Wohnen“, eine Hamburger Institution in Sachen Innenausstattung.

Volker Hartmann, Geschäftsführer von Scala, hat mit seinem Team auch das Ladengeschäft der minimalistisch gestalteten Teemarke „t“ im Stadtteil St. Georg eingerichtet. Das markante „t“ auf den Schaufensterscheiben der „t.boutique & t.bar“ ist schon von weitem zu sehen. Im Innenraum wechseln sich Regale aus hellen und dunklen Hölzern ab, sie reichen von Wand zu Wand. In ihrer geradlinigen Eleganz harmoniert die Möblierung mit den schlichten Verpackungen in Altrosa und dem goldenen Buchstaben-Logo. Die Gestaltung ist ebenso edel wie zurückhaltend, ganz im Sinne hanseatischer Tugenden soll nichts von der Qualität des Produkts ablenken. Neben handgepflückten Teesorten aus aller Welt kann man in der t.bar Gewürzmischungen, Bonbons und Gebäck kosten, die mit Matcha, einer staubfein gemahlenen grünen Sorte, verfeinert sind.

Auch hier in der Einkaufsstraße Lange Reihe setzt sich der für Hamburg typische Trend zu Shops, Cafés und Restaurants fort, die von Designern unterschiedlicher Disziplinen gemeinsam gestaltet sind und ihre eigene Geschichte erzählen. Mit schnörkelloser Eleganz oder rauem Charme, denn beides gehört zu Hamburgs Tradition.

(Veröffentlicht März 2016)